Das Offene Antirassistische Plenum stellt sich vor (Anfang 2001)

(Kontakt zum OAP: kontakt@oap-marburg.de)

Erst seit Kurzem haben in Deutschland Wirtschaft, Medien und Politik das Thema Rassismus und "Rassismusbekämpfung" aus den unterschiedlichsten Gründen für sich entdeckt. Die einen befürchten dabei einen "Imageschaden für den Standort Deutschland", die anderen sehen die "Demokratie in Gefahr". Weder der Anlaß, noch die Perspektive mit der Rassismus neuerdings öffentlich thematisiert wird, gehen aber tatsächlich von der Situation der von Rassismus Betroffenen aus. Statt z.B. die Lebenssituation von Migrantinnen und Migranten durch den Abbau von struktureller, z.B. sozialer Ungleichbehandlung zu verbessern und Diskriminierung vorzubeugen, werden autoritäre Antworten in Form von Gesetzesverschärfungen gesucht und gefunden. Weder jedoch ist Rassismus ein gesellschaftliches Problem neuer Art, noch ist eine wesentliche Zunahme rassistischer Vorfälle in den letzten Monaten zu verzeichnen. Statt dessen ist die Zahl der Todesopfer rassistischer Gewalt in Deutschland seit Jahren permanent höher als in jedem anderen europäischen Land. Neben einem staatlichen Rassismus, der die Ungleichbehandlung von Menschen in Deutschland offiziell in Gesetzen, Verordnungen und Richtlinien wie dem Asylbewerberleistungsgesetz und der Arbeitsgenehmigungsverordnung vorschreibt, ist die Lebenssituation von Migrantinnen und Migranten und anderer von Rassismus Betroffener in Deutschland durch den alltäglichen Rassismus z.B. auf der Straße, im Supermarkt oder bei den Behörden bestimmt. Die Formen der Diskriminierung reichen von der unfreundlichen Behandlung und herabwürdigenden Blicken über Äußerungen abwertender Klischees und Stereotypen sowie anderer Beschimpfungen und Drohungen bis zum absichtlichen Verzögern oder Verweigern von Dienstleistungen, wie z.B. in Geschäften oder Restaurants. Vor keinem Lebensbereich macht die rassistische Ausgrenzung halt. Gerade auf den Sektoren Arbeits- und Wohnungsmarkt ist ein Ausschluß nach

rassistischen Kriterien an der Tagesordnung. Bewerbungen der von Rassismus Betroffenen werden von Unternehmen und Betrieben häufig mit vorgeschobenen Begründungen wie "ungenügender sprachlicher Qualifikation" oder "unpassendem Outfit", die wiederum gängige Klischees bedienen, abgelehnt. Vermieter und Vermieterinnen haben Wohnungen ganz plötzlich und unerwartet bereits vergeben, sobald die Bewerberin oder der Bewerber zur Wohnungsbesichtigung erstmalig persönlich vor ihnen steht. Die rassistische Praxis der Polizei führt häufig zu einer Nicht-Anerkennung von Fällen rassistischer Diskriminierung, bei denen körperliche Gewalt keine ersichtliche oder gar keine Rolle gespielt hat. So werden Anzeigen von rassistischer Diskriminierung, die keine körperlichen Verletzungen für die Opfer nach sich ziehen, zumeist gar nicht erst aufgenommen. Von Rassismus Betroffene müssen vor allem im Osten Deutschlands mit der ständigen Angst vor rassistischer Gewalt leben. Nichtdeutsche befinden sich gegenüber Deutschen in einer Situation der Ungleichbehandlug und Benachteiligung gerade in vielen wichtigen Lebensbereichen. Dazu kommt die allumfassende, rassistische Alltagsdiskriminierung, der die meisten Opfer von Rassismus mehr oder weniger machtlos gegenüber stehen. Die rassistisch-diskriminierenden Institutionen oder Einzelpersonen können sich zumeist der schweigenden Zustimmung ihres Umfeldes sicher sein. Um dieser Situation etwas entgegenzusetzen, soll in Marburg ein "Offenes Antirassistisches Plenum" etabliert werden. Bei diesem Plenum soll wie sonst durchaus nicht üblich, die Lebenssituation und die Problemdefinition von Betroffenen in den Mittelpunkt gestellt werden. Eingeladen sind Betroffene und Interessierte, Einzelpersonen und Menschen aus unterschiedlichen Initiativen, um zum Erfahrungsaustausch über Rassismus und zur Koordination der Bekämpfung von Rassismus zusammen zu kommen.

Presseerklärung (Dezember 2000)

Infos zum Grenzcamp in Frankfurt/Main gibt es hier

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